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Sekte oder Selters

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Inhalt

Der Hunsrück wird wieder einmal zum spannungsgeladenen Schauplatz. Eine unheimliche Mordserie und eine suspekte Sekten-Gemeinschaft geben den Ermittlern zahlreiche Rätsel auf. Blutleere Frauenleichen und in die Haut eingebrannte sakrale Motive deuten auf Ritualmorde hin. Hat die Sekte ihre Finger im Spiel? Ist es ein Psychopath, der sein grausames Spiel treibt? Auch in diesem Hunsrück-Krimi verzichtet der Autor nicht auf Lokalkolorit und beschreibt Besonderheiten seiner Heimat, mal mit dem Tenor der Begeisterung, mal mit leiser Kritik.

In Forstenau hat sich in einer ausgedienten Fuchsfarm eine Sekte niedergelassen, zum Unmut zahlreicher Dorfbewohner und zum Leidwesen des ansässigen Pfarrers Adalbert Schaeflein. Während die Sekte mit ihren Mitteln um die Gunst der Einwohner buhlt, wendet Pastor Schaeflein alle Kraft gegen die Eindringlinge und für seine Pfarrkinder auf.

Nachdem die Mitgliederwerbung der geheimnisumwitterten Gruppe auch noch Erfolg hat, wird neben einer Diskothek in der Nähe des Sektengebäudes eine Tote gefunden. Auf ihrer Stirn ist ein religiöses Zeichen eingebrannt und ihr Körper ist völlig blutleer.

Hauptkommissar Heiner Spürmann und Kollegin Leni Schiffmann finden sich bald schon in einem religiösen Scharmützel wieder und weitere mysteriöse Todesfälle rücken Mitglieder der Sekte immer weiter in einen Kreis von Verdächtigungen, bis ein entscheidender Hinweis zur Klärung der bestialischen Mordserie beiträgt.

 

Leseprobe

Die Diskothek „Inferno“ liegt außerhalb der Ortschaft Forstenau. Sie liegt an jenem Weg, der auch zur Fuchsfarm und dem Segelflugplatz führt und hat gerade ihre Pforten dichtgemacht. Die letzten mehr oder weniger angetrunkenen, grölenden Gäste werden von den Bediensteten unsanft nach draußen befördert und machen sich schwankend auf den Heimweg.

Es ist fast vier Uhr morgens. Am Horizont kann man erkennen, dass sich in spätestens zwei Stunden die Sonne ihren Weg über den Hunsrück bahnen und ihre wohlige vorsommerliche Wärme auf den Hochwald verteilen wird.

Es scheint ein angenehmer Sommer zu werden. Der Winter ist ausnahmsweise mal wieder so richtig kalt gewesen, so, wie man ihn noch vor Jahrzehnten erlebt hat. Doch was danach kam, verbreitete wenig Freude. Nasse, unangenehm neblige und teils verregnete Winter sorgten dafür, dass sich das Familienleben mehr innerhalb als außerhalb der heimischen Gemäuer abspielte. Dennoch verzeichnen Kindergärten und Schulen eine Reduzierung ihrer Kapazitäten und man denkt bereits über die Schließung manch kleinerer Schule nach.

Doch der letzte Winter ist endlich wieder so gewesen, wie man sich einen Winter im Hunsrück vorstellt: Kalt und mit viel Schnee und die höchste Erhebung im Hunsrück, der Erbeskopf mit seinen stattlichen 818 Metern sorgt für gute finanzielle Einnahmen, denn dort heißt es: „Ski und Rodel gut.“

Dieser Morgen allerdings ist alles andere als ein Vorbote auf einen schönen und sonnigen Tag. Nebel senken sich über die Wiesen und Felder und verbreiten in der graubläulichen Morgendämmerung eine Art gruseliger Friedhofsstimmung. Der Mond hat immer noch nicht seinen Platz am Firmament geräumt und durch die Nebelschwaden ist er nur schemenhaft in einem fahlen bläulichen Licht zu erkennen.

Die letzten Gäste der Disko „Inferno“ haben sich inzwischen wankend und zum Teil in lallende Selbstgespräche verwickelt davongeschlichen und sind im Nebel verschwunden. Ihre Stimmen versickern allmählich im Nichts.

In den Räumlichkeiten des Tanzpalastes verlöschen die bunten Lampions nacheinander und schließlich verlassen auch die Betreiber des Objektes, drei Burschen im Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren, den Ort, der sie Nacht für Nacht an die Lärmmaschine fesselt. Wortlos steigen sie in eine dunkle Limousine und brausen davon, ihrem ersehnten Schlaf entgegen.

Dann ist es plötzlich still. Kein Laut ist zu vernehmen, kein Vogel, der schon erwacht wäre, kein Stück Wild, das sich hierher verlaufen hätte. Es ist einfach still. Totenstill.

Doch dann!

Ein Geräusch in der Stille!

Ein Brummen, das lauter wird und schließlich im Nebel und der Morgendämmerung in der Nähe der Diskothek endet.

Für einen Moment erhellen Scheinwerfer in gerader Richtung die Umgebung. Sie gehören zu einem Pkw-Kombi der Mittelklasse, der sich aus Richtung der Waldlandschaft kommend langsam aus dem Dunkel schält und auf Höhe der Diskothek anhält. Sofort erlöschen die Scheinwerfer wieder und der Wagen ist nur noch schemenhaft zu erkennen.

Die Fahrertür öffnet sich langsam und eine Gestalt, in dunkle Kleidung gehüllt, die Kapuze über den Kopf gezogen, steigt sich nach allen Seiten umsehend aus und schließt leise die Tür. Offensichtlich ist sie bestrebt, auf jede Art von Geräusch zu verzichten, denn auch die Hecktür des Fahrzeuges öffnet sie bedächtig und fast vollkommen lautlos.

Hätte jemand in der Nähe dieser Aktivität Aufstellung bezogen und seinen Blick nicht zugfällig in diese Richtung gewandt, es würde kein Laut bis zu ihm herüberdringen. Die Gestalt, die aufgrund ihrer schwarzen Kleidung kaum noch wahrzunehmen ist, greift mit beiden Armen in das Fahrzeuginnere und zieht Zentimeter für Zentimeter einen länglichen Gegenstand heraus und legt ihn hinter dem Fahrzeug auf der geteerten Straße ab.

Sie schließt die Heckklappe, fast geräuschlos. Nur ein leises Klack ist zu vernehmen. Die Person beugt sich zu dem Objekt hinunter, greift mit beiden Armen zu und wuchtet sich das Paket über beide Unterarme, um sofort mit ihrer schweren Last, unter der sie zusammenzubrechen droht, in Richtung des Diskothek-Gebäudes zu wanken.

Die Person scheint kurz zu überlegen, dann legt sie den fast zwei Meter langen Gegenstand auf dem Boden ab, runde zehn Meter von der Lokalität entfernt, an den Rand einer frisch gemähten Wiese. Schwer atmend erreicht sie mit zwei großen Schritten wieder das befestigte Gelände der Diskothek, steigt in den Kombi ein und fährt, auf eine Beleuchtung verzichtend, langsam davon, in Richtung Forstenau. In der Ferne kann man erkennen, wie die Beleuchtung des Fahrzeuges eingeschaltet wird. Dann ist es wieder still. Totenstill!

Die aufgehende Sonne des vielversprechenden Maimorgens erhellt langsam die Erde und verteilt den fallenden Nebel endgültig auf die Wiesen und Felder des Hochwalds als Nahrung für Flora und Fauna.

Auch der neben der Disko abgelegte Gegenstand verliert mehr und mehr seine Schemenhaftigkeit und offenbart schließlich die Form eines menschlichen Körpers, der auf dem Rücken liegt und mit leeren Augen gen Himmel zu schauen scheint.

Abgelegt wie ein Stück Abfall liegt die tote Frau, deren Alter kaum über fünfundzwanzig zu sein scheint, nun auf der Wiese vor dem Tanzpalast, die gebrochenen Augen in dem fast weißen Gesicht zum Himmel gerichtet, so, als wollte sie ihren Schöpfer bitten, ein grausiges Verbrechen ungeschehen zu machen.

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